Alles andere als ein alltägliches Projekt
Rückbau des unterirdischen ehemaligen Bundeswehr-Sanitätshauptdepot Efringen-Kirchen
Bonn/Efringen-Kirchen, 31. Mai 2021. Die Anhöhen im Rheintal bei Efringen-Kirchen unweit von Lörrach bergen ein mittlerweile offenes Geheimnis. In der Zeit des Kalten Krieges befand sich dort ein riesiges, unterirdisches Sanitätshauptdepot der Bundeswehr, bekannt als die „größte Apotheke Europas“. Doch 2007 war damit Schluss und die Anlage ging anschließend zurück zur Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). In den vergangenen Jahren wurden die Stollen für rund 8,5 Millionen Euro entkernt und zurückgebaut. Jetzt wurden die Arbeiten beendet. Dabei ist gut ein Drittel der Untertageanlage unter Denkmalschutz gestellt worden und bleibt somit weitgehend erhalten. Der Rest der Anlage wird in den kommenden 20 Jahren im Zuge von Kalkabbauarbeiten zurückgebaut.
Ein Einblick in die bisherige Stollenanlage im Kalkgestein bei Efringen-Kirchen.
Vor rund 150 Jahren bereits begann die militärische Nutzung der Rheinanhöhen nahe der baden-württembergischen Gemeinde Efringen-Kirchen. Aber nicht etwa überirdisch, sondern unter Tage. Zunächst befand sich dort ein Divisionsgefechtsstand als Waffen- und Munitionslager, später folgte ein Lazarettstollen. Wobei alle Anlagen unterirdisch miteinander verbunden sind. Der Grund: Der Rhein markiert an dieser Stelle die natürliche Grenze zu Frankreich, die es zu schützen galt.
Material für fünf komplette Krankenhäuser
„1960/61 begann dann der Bau der Stollen für das Sanitätshauptdepot der Bundeswehr“, berichtet Günther Danziger, Hauptstellenleiter des Geschäftsbereichs Facility Management (FM) in Freiburg. „1978 wurde die etwa 36.000 Quadratmeter große und zusammengerechnet zirka 4,6 Kilometer lange Untertageanlage eingeweiht.“ Den Hauptteil bildeten vier je 450 Meter lange Stollen, die jeweils nach 90 Metern nochmals unterteilt waren. Außerdem befand sich unter der Erde auch ein zweistöckiger Bürotrakt inklusive Aufzügen. „Dort lagerte alles – von der Kopfschmerztablette bis zum Röntgengerät“, erzählt Günther Danziger. „Fünf Krankenhäuser hätten mit dem Material vollständig ausgerüstet werden können.“ Der Bau unterlag damals übrigens strenger Geheimhaltung. Die oberirdischen Grundstückseigentümer wussten zunächst teilweise nicht, was sich zirka 60 Meter unter ihrem Grund und Boden tat.
Das oberirdische Kopfbauwerk eines etwa 60 Meter langen Luftschachtes.
Stollen werden zum Großteil abgebaut
Doch nach rund 30 Jahren war Schluss. Der Kalte Krieg war zu Ende und die dauerhafte Unterhaltung der Anlage war wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten. „2008 gingen die Stollenbauwerke von der Bundeswehr an die BImA. Dann wurde zunächst über eine geeignete Nachnutzung nachgedacht“, blickt Markus Rütschle, Leiter des Objektmanagementteams Gewerbe der Hauptstelle Freiburg zurück. „Die Gemeinde hatte ja ein Erstzugriffsrecht. Auch über eine mögliche Nutzung als Rechenzentrum wurde nachgedacht. Letztlich stellten sich aber alle Pläne als zu teuer heraus.“ Da ein Kalkwerkunternehmen unweit der Stollen eine Genehmigung zum Abbau des Gesteins erhalten hatte und die Vorkommen bis zu den Stollen reichen, bot sich schließlich an, die Stollen im Zuge des Kalkabbaus abzureißen. „Doch zunächst musste die gesamte Anlage entkernt werden. Alle Einbauten und technischen Anlagen wie beispielsweise die Lüftungs-, Strom- und Heizungsanlagen mussten heraus“, erläutert Andreas Bühler, zuständiger Projektleiter des Hochbauamtes Freiburg. Dieses hatte die BImA als Eigentümerin mit den Rückbauarbeiten beauftragt.
Allerdings war rund ein Drittel des ehemaligen Sanitätshauptdepots als Relikt des Kalten Krieges unter Denkmalschutz gestellt worden, weswegen dieser Teil für die Nachwelt erhalten bleiben muss. Ende 2017 starteten die Arbeiten. Doch erschwerend kam hinzu, dass asbesthaltige Materialien in der Untertageanlage verbaut wurden, deren Ausbau und Entsorgung besonders aufwendig und zeitintensiv war. Die Abbruchfirmen kamen aus ganz Deutschland. Auch bergtechnische Sachverständige und Probenanalyseinstitute waren involviert. Denn die Bergbaurichtlinien mussten eingehalten werden.
So sahen die Hochregale in der Stollenanlage aus, bevor sie zurückgebaut wurden (Alle Fotos: BImA).
Am besten ausgebildete Feuerwehr Baden-Württembergs zuständig
„Für den Rückbau wurde in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Hochbauamt und der Firma Geo Saftey Consult von Dr. Elmar Fuchs extra ein Sicherheitskonzept entwickelt“, erzählt BImA Objektmanager Nicolas Morlo. Nachdem die frühere Werksfeuerwehr mit der Bundeswehr abgezogen war, musste die BImA zur Absicherung des Rückbaus eine entsprechende Lösung finden. „Schließlich haben wir die örtlichen Feuerwehrleute extra ausbilden lassen und mit den entsprechenden Geräten ausgestattet“, berichtet Nicolas Morlo. Und sein Chef Markus Rütschle ergänzt: „Das ist durch uns jetzt die am besten ausgebildete Feuerwehr Baden-Württembergs, wenn nicht sogar ganz Deutschlands.“ Auch der denkmalgeschützte Teil der Anlage wurde – um alle Umweltauflagen zu erfüllen – von sämtlichen Schadstoffen befreit und anschließend versiegelt. „Während die übrigen Stollen in den kommenden 20 Jahren abgebaut werden, kann auch der versiegelte Teil nicht betreten werden. Was danach mit der unter Denkmalschutz stehenden Untertageanlage passiert, steht noch nicht fest. Genauso wenig, ob sie jemals der Öffentlichkeit beispielsweise als Museum zugänglich gemacht wird“, so Günther Danziger.
Einzigartiges Abrechnungssystem
Nach vier Jahren sind jetzt die Rückbauarbeiten, welche übrigens die Bundeswehr zahlt, vollständig abgeschlossen. Dafür wurde extra ein bis dato einzigartiges Abrechnungssystem ins Leben gerufen, bei dem die Bundeswehr die Rechnungen der BImA einmal jährlich stichprobenartig prüft, berichtet Markus Rütschle. „Jetzt müssen wir noch die Abschlussrechnungen erstellen.“ Für alle am Rückbau Beteiligten war dieses umfangreiche Projekt alles andere als alltäglich. „Es war herausfordernd, spannend und sehr bereichernd. Ich habe während der Zeit viel lernen können“, meint Nicolas Morlo. „Schade, dass dieses Projekt schon zu Ende ist“, bedauert auch Andreas Bühler. Dabei sei das Rückbau-Projekt für alle Beteiligten herausfordernd gewesen, da die Sicherheit im Berg stets ausschlaggebend war. Zudem mussten auch alle Umweltauflagen und Vorschriften eingehalten werden. „Rückblickend ist das durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit der verantwortlichen Personen und Ämter gut gelungen“, so Andreas Bühler.